Ein Kommentar von Michael Bergmann über die antifaschistische Solidarität mit Dresden und Sachsen vom 16. Januar 2015.
Als weiße_r Antifaschist_in außerhalb Dresdens zu leben und in seinem durchgentrifizierten Kiez im beheizten Zimmerchen zu sitzen, scheint in den letzten Wochen vielen Leuten sichtlich Spaß zu machen. Über Dresden und Sachsen lässt sich herzlich lachen und Kopf schütteln. Immer im Wechsel. Und zu Recht! Endlich kann man sich mal wirklich absolut und auf der ganzen Linie als etwas besseres fühlen. Es ist super sich darüber abzufeiern, dass geil viele Leute in der eigenen Stadt am Start waren, um einer seit 8 Wochen angekündigten Nazi-Demo, die sich selbst als Ableger von Pegida versteht, eine Abfuhr zu erteilen. Die schummrige rote Beleuchtung der Szene-Kneipe auf der Panierstraße flackert im Zigarettenqualm, wenn man sich gemeinsam darüber ergötzt, wie man mit 4.000 Leuten in der Dreimillionen-Stadt, einige U-Bahn-Stationen weiter beim Brandenburger Tor, ein paar hundert Verrückten eingeheizt hat. Und selbstzufrieden lehnt man sich in Köln oder München zurück, weil die Stadtgesellschaft das Image gerettet hat, noch bevor es überhaupt befleckt werden konnte. Das alles ist super und verständlich. Ihr seid sowas von Klasse alle zusammen. Die Bundeskanzlerin und wahrscheinlich auch die Demokratie an sich ist echt stolz auf euch. Es wird ja schließlich niemand (mal abgesehen von ein paar hundert Flüchtlingen) gezwungen in Dresden zu leben. Sollen sie doch alle da weg ziehen, wenn es dort so Scheisse ist, oder?
Was muss eigentlich passieren, damit eure Solidarität die Stadt-und Kiezgrenzen verlässt? Soll euch irgendein Gewerkschaftsbus an eurem Wohnprojekt abholen und euch dann wieder schön nach Hause fahren, damit ihr euren Arsch in dieses verkackte Rassist_innennest bewegt? Ist die Zugverbindung nach Dresden zu schlecht? Oder kommt ihr nur dann, wenn vorher schon klar ist, dass ihr mit einem Erfolgserlebnis nach Hause fahren könnt und ohne Frust und so? Oder ist Montags sowieso immer schlecht, weil ihr ja Dienstag früh Uni habt, arbeiten müsst oder euch noch von der Party am Wochenende erholen müsst? Ist irgendwie doof so mitten in der Woche. Ich weiß. Vielleicht schafft es ja jede_r zweite von euch wenigstens einmal aller zwei Monate. Wäre ein Anfang. Und wenn ihr es doch nicht schafft, weil kann ja sein, dann auch nicht schlimm. Dann haltet einfach mal eure Fresse zum Thema oder gebt wenigstens zu, dass euch Rassismus in echt eigentlich ziemlich egal ist, weil ihr seid ja nicht davon betroffen.