Ziel erreicht

Jungle World Nr. 7, 18. Februar 2010

Müde Antifas, enttäuschte Nazis, Trauerkerzen für die deutschen Opfer, Ball spielende Polizisten. Unsere Reporter berichten über den 13. Februar in Dresden.


Überfordert. Die Polizei

von Michael Bergmann

Etwa 7 400 Polizisten waren am Wochenende in Dresden im Einsatz. Nach der staatlichen Repression gegen das Bündnis »Dresden nazifrei« in den vergangenen Wochen und der Ankündigung des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU), gegen »Extremisten« konsequent vorzugehen, hatten viele ordentlich Rambazamba erwartet. Justizminister Jürgen Martens (FDP) meinte, dass die Stadt »kein Tummelplatz für linke Chaoten« werden dürfe, und ließ vorsorglich 80 Zellen in der Dresdner JVA leerräumen. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) meldete sich in den Tagen vor den Protesten zu Wort, um Warnungen an die »Extremisten von links und rechts« auszusprechen. Auch die brutalen Angriffe der Polizei auf die Antifa-Demonstration im vorigen Jahr vermittelten den Eindruck, dass man in Sachsen mit Antifaschisten nicht zimperlich umgeht.

Umso überraschender stellte sich der Einsatz der Polizei am Samstag in Dresden dar. An den drei großen Blockadepunkten war die Lage den ganzen Tag über entspannt. Bei der Blockade auf der Eisenbahnstraße spielte eine Polizeieinheit Fußball mit den Demonstranten. An anderer Stelle wippten behelmte Einheiten im Rhythmus der Musik. Einzelne Demonstranten ließen sich gemeinsam mit Polizeibeamten fotografieren. Auch die Zahlen von nur 21 Festnahmen und zwölf Verletzten auf linker Seite weisen auf eine deeskalierende Taktik hin. Ernsthaft sauer wurden die Beamten nur, wenn sie attackiert wurden oder wenn einzelne Antifaschisten die direkte Konfrontation mit den Neonazis suchten. So kam es auch zum Einsatz von Schlagstöcken und einem Wasserwerfer.

Wollte die Polizei den Aufmarsch der Neonazis nicht durchsetzen oder konnte sie es einfach nicht? »Die Lage war zum Teil sehr unübersichtlich und hat uns viel Kraft gekostet«, sagte Polizeipräsident Dieter Hanitsch. Tatsächlich hatte man an vielen Stellen den Eindruck, dass verschiedene Polizeieinheiten sich gegenseitig im Weg standen oder einfach nicht wussten, was ihre Aufgabe an einem bestimmten Ort war. Die Polizei wirkte unkoordiniert. Am frühen Samstagmorgen waren die Beamten vom schnellen, entschlossenen Handeln der anreisenden Anti­faschisten, die zum Teil aus ihren Bussen sprangen, um wichtige Straßen zu blockieren, schlichtweg überrascht. Auch gelang es der Polizei nicht, die An- und Abreise der Nazis sinnvoll zu kontrollieren. Mehrere hundert Rechtsextreme versammelten sich nach dem gescheiterten Aufmarsch in Pirna. Marodierend zogen sie durch die Innenstadt, warfen Scheiben eines Bürgerbüros der SPD ein und skandierten Drohungen gegen ihnen bekannte Antifaschisten aus der Sächsischen Schweiz. Die Polizei unternahm nichts, um sie daran zu hindern. Aus ordnungsstaatlicher Sicht war dieser 13. Februar ein Desaster: Die vorangegangene Repression hat am Ende zum Erfolg der Protestaufrufe der Antifa beigetragen, was wiederum dazu führte, dass die Polizei mit der großen Anzahl entschlossener Menschen an diesem Tag überfordert war.